Die langen hellen Tage © Indiz Film

Die langen hellen Tage Ein Film von Nana Ekvtimishvili & Simon Groß

Tbilisi, Georgien 1992. Die Sowjetzeit ist vorüber, Georgien ist auf sich selbst gestellt. Der Abchasien Konflikt droht zu eskalieren und ein Bürgerkrieg beutelt das Land. Für die 14-jährigen Mädchen Natia und Eka geht die Kindheit zu Ende. Die besten Freundinnen sind ganz normale Teenager, die Spaß haben, gegen ihre Lehrer rebellieren, heimlich rauchen und unanständige Lieder singen. Doch ihr Alltag bringt auch Unsicherheit und Zukunftsängste mit sich. Ekas Vater ist im Gefängnis und Eka zieht sich mehr und mehr von ihrer Mutter und der älteren Schwester zurück. Auch in Natias Familie gibt es große Probleme: ihr Vater ist Alkoholiker und ihre Eltern streiten ununterbrochen miteinander.

Natia, die bereits Männersehnsüchte weckt, bekommt von ihrem sensiblen jungen Verehrer Lado eine Pistole geschenkt, zur eigenen Verteidigung in einer von Testosteron dominierten Umgebung. Natia gibt die Waffe wiederum Eka, die täglich auf ihrem Heimweg von Nachbarsjungen schikaniert wird. Aber als Eka Zeugin wird, wie einer ebendieser Jungen zusammengeschlagen wird, zieht sie die Pistole und verteidigt ihn. Auf diese Weise macht sie aus einem Feind einen potentiellen Verbündeten.

Die langen hellen Tage © Indiz Film

Die Freundschaft erfährt eine harte Prüfung, als Natia von ihrem aggressiven Verehrer Kote entführt wird (Anm.: Brautentführungen waren eine Tradition, die im Georgien der 1990er Jahre noch existierte) und in die Heirat einwilligt. Auf der Hochzeit gibt Eka die Waffe zurück an Natia, da sie sie nun dringender zu brauchen scheint. Enttäuscht von der schwachen Entscheidung ihrer Freundin tritt Eka in die Mitte der Hochzeitsgesellschaft und präsentiert sich mit einem traditionell nur von Männern aufgeführten Tanz von betörender Kraft. Alle ihre Gefühle über die verhärtete Gesellschaft, ihr neu gewonnenes Bewusstsein weiblicher Macht und ihre Loyalität Natia gegenüber sind in diesem Tanz enthalten. (Gefilmt in einer einzigen atemberaubenden Einstellung von Kameramann Oleg Mutu: 4 Months 3 Weeks 2 Days; The Death of Mr. Lazarescu).

Im Verlauf des Films vermutet Eka, dass ihr Vater in den Mord am Vater ihres Klassenkameraden Kopla verwickelt ist und weigert sich, ihn im Gefängnis zu besuchen. Derweil wächst Natias Unzufriedenheit: das Zusammenleben mit dem herrischen Kote und dessen Eltern in einer winzigen Wohnung ist schwierig. Sie will ihren Mann nicht bedienen und streitet ununterbrochen mit ihren Schwiegereltern. An Natias Geburtstag gehen die Mädchen zurück in ihr altes Zuhause, wo Natias Großmutter liebevoll ein Festmahl zubereitet hat. Während sie auf dem Balkon sitzen, ihr Essen und den guten Wein genießen, hören sie von unten Musik und rennen hinunter. Lado, Natias früherer Verehrer, ist mit einem alten Mann gekommen, der ein Liebeslied spielt. Natia und Lado sehen sich tief in die Augen, als plötzlich Kote mit seiner Gang auftaucht und Natia sofort nach Hause schickt. Wenig später verfolgt die Gang Lado durch die engen Straßen von Tiflis…

Die langen hellen Tage © Indiz Film

Vor der Kulisse des postsowjetischen Georgiens beschreibt der Film mit virtuoser Erzählkraft, starken Bildern des Kameramanns Oleg Mutu und musikalischem Rhythmus die prägenden Veränderungen im Leben zweier Mädchen im Teenageralter. Die besten Freundinnen Eka und Natia werden zu jungen Frauen während der langen, hellen Sommertage 1992 in der Stadt Tiflis. Sie leben in einer Welt, in der eine geschenkte Pistole als ein Zeichen der Zuneigung verstanden wird, ein Heiratsantrag mehr wie eine Entführung wirkt und in der Liebe und Lebensgefahr nicht weit voneinander entfernt sind. Inmitten einer vom Bürgerkrieg gebeutelten patriarchalischen Gesellschaft, in der selbst die eigenen Eltern als Vorbild kläglich versagen, wissen sie sich zu behaupten und schließlich die Kette der Gewalt ganz ohne fremde Hilfe zu durchbrechen. Autorin und Ko-Regisseurin Nana Ekvtimishvili basierte Ekas und Natias Geschichte auf den Erinnerungen an ihre eigene frühe Jugend im Tiflis der 90er Jahre und stellt in ihrem fesselnd erzählten Film weibliche Identität und den Bruch mit veralteten Werten in den Mittelpunkt, wobei sie zusammen mit Ko-Regisseur Simon Groß einen klaren Blick für fein nuancierten Witz und selbstbewusste Darstellungen behält. Die Regisseure greifen ernste Themen auf, die sie mit emotionaler Wucht, aber auch mit ruhiger Zurückhaltung darstellen. Gleichzeitig haben sie gekonnt die besondere, bezaubernde Atmosphäre der heißen, langen, hellen Sommertage Georgiens eingefangen.

Die langen hellen Tage © Indiz Film

Lika Babluani wurde 1999 in Tiflis / Tbilisi geboren. Die „Eka“ in Die Langen Hellen Tagen ist ihre erste Rolle in einem Spielfilm. Für ihre intensive Darstellung wurde sie mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet. Derzeit besucht sie eine Tanzschule für Georgische Nationaltänze.

Mariam Bokeria wurde 1998 in Tiflis / Tbilisi geboren. Bereits als Kind sammelte sie Bühnenerfahrung als Sängerin: Im Jahr 2006 trat sie, gemeinsam mit ihrer Band, als georgische Kandidatin beim Eurovision Song Contest auf. Mit der Rolle der „Natia“ in Die Langen Hellen Tagen gab sie ihr Spielfilmdebüt. Auch Mariam Bokeria wurde für ihre kraftvolle Darstellung international ausgezeichnet.

Die langen hellen Tage © Indiz Film

Nana Ekvtimishvili, 1978 in Tiflis/Tbilisi, Georgien geboren, startete ihre Karriere als Schriftstellerin bereits im Teenageralter. Sie schrieb Kurzgeschichten für ein georgisches Magazin. Nach einem Philosophiestudium in Tiflis studierte sie “Drama und Drehbuch“ an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Dort traf sie Simon Groß, Produzent und Ko-Regisseur von Die langen hellen Tage. Nachdem sie Prosa und verschiedene Drehbücher geschrieben hatte, führte sie 2011 Regie bei dem Kurzfilm Waiting for Mum. 2012 gründete sie zusammen mit Simon Groß ihre eigene Produktionsfirma POLARE FILM in Georgien, führte Regie und produzierte Die langen hellen Tage in Georgien. Der Film feierte seine Premiere 2013 im Forum der 63. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Nana und Simon leben in Tiflis, wo sie mit Erfolg eine Eisdielen-Kette betreiben. Nana Ekvtimishvili hat gerade einen neuen Roman beendet.

Simon Groß, 1976 in Berlin geboren, studierte Filmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Nachdem er bei mehreren Kurzfilmen Regie geführt hatte, drehte er seinen ersten abendfüllenden Spielfilm Fata Morgana 2006 in Marokko, für den er den Förderpreis Deutscher Film für die beste Regie auf dem Filmfest München erhielt. Er gründete seine eigenen Produktionsfirmen: INDIZ FILM zusammen mit Marc Wächter in Deutschland und POLARE FILM zusammen mit Nana Ekvtimishvili in Georgien. 2012 inszenierte und produzierte er den Spielfilm Die langen hellen Tage in Georgien.

Kamera | Oleg Mutu ist einer der erfolgreichsten Kameramänner des osteuropäischen Kinos. Er studierte an der Film- und Theaterakademie Bukarest. Unter anderem war er Kameramann bei The Death of Mr Lazarescu (Cristi Puiu, 2005) und 4 Months, 3 Weeks and 2 Days (Cristian Mungiu, 2007) sowie bei zwei Filmen im offiziellen Wettbewerb vonCannes 2012: Beyond the Hills von Cristian Mungiu und In the Fog von Serghei Loznitsa.

Deutschland/Frankreich/Georgien 2013 – 102 Minuten – georgisch mit dt. oder engl. Untertiteln | Georgischer Beitrag zu den Academy Awards (Oscars) 2014 | C.I.C.A.E. Art Cinema Award –Berlinale 2013 | Best Film/Best Actress – Sarajevo Film Festival | FIPRESCI Prize/Golden Firebird – Hong Kong Intl. Film Festival | New Auteurs Award for Personal Storytelling – AFI Fest | Special Jury Prize – Montreal Film Festival | Grand Prize – TOKYO FILMeX | Der Festival Renner des Jahres 2013 – international ausgezeichnet mit 28 Preisen.

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